Die Schweinezüchterin ist wieder da. Sie kommt zum Frühstück und isst unsere Croissants. Ich zieh‘ gleich bei euch ein, sagt sie.
Tatsächlich gibt es einen einzigen Bäcker in der 9-Millionnen-Stadt (Oder sind es schon 11 Millionen inzwischen? Keiner weiß das so genau.), der wirklich gute Croissants macht. Besser als die meisten, die man in Deutschland kriegen kann.
Dennoch findet die Schweinezüchterin, wir seien ganz schön indisch geworden. Als sie mich an der Tür mit den Nachbarn sprechen sieht, prustet sie los. Weil ich mit dem Kopf wackle und „hah“ sage, wie jeder halbwegs vernünftige in Indien lebende Mensch. Das müsst ihr filmen, sagt sie. Da lacht ihr später drüber.
Ich beichte ihr, dass ich erste Anzeichen von Verbuschung bei mir feststelle: An manchen Morgenden Socken in Sommerlatschen. Ich erinnere mich, wie entsetzt ich am Anfang war, wenn ich Frauen in bunten Sarahs und Schmuck und mit den furchtbarsten Socken in ihren Schlappen sah. Aber es ist eben kalt an den Wintermorgenden in Indien. Feste Schuhe lohnen sich nicht. Also eben Socken, bis die Sonne wärmt.
Wie geht es den Schweinchen, frage ich und eigentlich brauche ich keine Antwort. Es steht ihr ins Gesicht geschrieben, dass Schweine pures Glück sind. Schweine werden unterschätzt, sagt sie, die begrüßen dich wie ein Hund, wenn du abends nach Hause kommst.
Nicht schlecht staunt die Schweinezüchterin, als ich ihr erzähle, dass es in Hyderabad den ersten Ikea Indiens gibt. Erzählen aber reicht nicht, das muss man gesehen haben. Also fahren wir hin. Der Ikea ist beinahe wie überall sonst. Nur dass es Chapati-Pfannen gibt, Kleiderschrank-Aufteilungen, die perfekt für Saris sind und eine Mini-Gutmenschen-Kollektion handgewebter Handtücher – mit local artisans und so. Weil man ja das Handwerk unterstützen will und die Welt ein bisschen besser machen. Das Restaurant hat 1000 Plätze und es gibt Fleischklößchen aus Chicken, Lachs und Biryiani. Es ist sauber.
Wir grunzen wohlig, als wir durch die Gänge schlendern. So ein vertrauter Anblick! Dieses Preis-Leistungs-Verhältnis! In Entwicklungsländern sind wir anderes gewohnt. Schlecht und billig oder aber Luxus und völlig überteuert. Welche Qualität wir in D gewohnt sind war mir lange nicht klar. Wie schwierig es ist, die gewohnten Erwartungshaltungen abzulegen, auch nicht.
Die Schweinezüchterin kauft Vorhänge für ihr Farmhaus, für jedes Zimmer einen in einer anderen Farbe. Ich kaufe Holzeisenbahnen für sämtliche Kinder der Nachbarschaft, die je einmal Geburtstag haben könnten und eine Bank für unseren Platz zwischen den Häusern. Eine Investition in Community, tribe life und so weiter. Blumentöpfe allein reichen da nicht.
Auf dem Rückweg erzählt mir die Schweinezüchterin von ihrem Mann und damit ich verstehe, wie sie ihren Mann kennen gelernt hat, fängt sie am besten von vorne an, also fast. Es ist wirklich erstaunlich, dieses Leben, das die Schweinezüchterin führt, von damals bis heute, wo sie in einem Farmhaus mit Reetdach in Simbabwe lebt. Man könnte einen Film darüber drehen und ich schwöre, ich würde ihn mir mehrmals ansehen und er wäre besser als „Jenseits von Afrika“.
Ich kann hier nicht das ganze Leben der Schweinezüchterin ausbreiten – schließlich soll noch ein Film daraus werden – aber eines möchte ich erzählen:
Die Schweinezüchterin also, lange bevor sie Schweinezüchterin war: sie studierte, verliebte sich, wurde schwanger, trennte sich. Drama und Verzweiflung. Dann aber! Dann bekam sie, gerade fertig mit dem Studium, ein Angebot: Doktorarbeit in Äthiopien. Und sie macht es! Sie nimmt ihre kleine Tochter und zieht nach Äthiopien, macht ihre Datenerhebung, während ihre Tochter von den Frauen vor Ort gehütet wird und eine Handvoll Sprachen auf einmal lernt. Sie schreibt, allein mit ihrer kleinen Tochter ihre Doktorarbeit in Äthiopien. Später kehrt sie nach Deutschland zurück.
Und dann nochmal: Mit ihrer Tochter nach Simbabwe. DORT lernt sie ihn dann schließlich kennen, den Mann mit dem man ein Farmhaus kaufen kann. Und Schweine züchten. Aber das ist eine andere Geschichte.