tribe life ist schöner als Kita.

Zusammensein

Nach vier Wochen tribe life will das Mädchen nicht mehr in die Kita. Ich kann sie verstehen. Natürlich ist es noch ein bisschen schöner, mit den Nachbarskindern frei durch den Tag zu streifen, in diesem Haus ein Chapati zu bekommen und in jenem ein bisschen Pasta, die Erwachsenen um sich zu haben und doch für sich zu sein. Keine von außen auferlegten Strukturen, niemand, der ein Spiel unterbricht. So haben wir die letzten Wochen verbracht und so könnte es ewig weitergehen.

Und auch ich fände es ein bisschen schöner, wenn wir jeden Tag in dieser Art von Kontinuum verbringen könnten. Es ist ein ganz eigener Raum des Zusammenseins, gerade wenn Kinder noch so klein sind. Und irgendwann wird es damit vorbei sein. Wenn da nur noch ein bisschen stille Arbeitszeit für mich wäre irgendwann.

No Ia Cow, sagt das Mädchen schon am Morgen, was so viel heißt wie, dass es nicht in die Kita will. Ia Cow heißt dieser Ort, seit sie dort schon ganz zu Beginn der Eingewöhnung das Lied von Old Mac Donald und seiner Farm gehört hat.

Bisher konnte das Mädchen es kaum erwarten, morgens dort hinzugehen. Vielleicht hat sie erst jetzt so richtig verstanden, dass das Stunden sind, die sie ohne uns zurechtkommen muss. Dass Mama und Papa nicht immer und nicht für immer da sind. Wer weiß, was in dem kleinen Köpfchen und Herzchen vor sich geht.

Vielleicht aber ist es der Geschmack des tribe life, den sie auf der Zunge hat und der so süß und frei und gut ist.

Der Kindergarten, für den wir uns entschieden haben ist in Ordnung, auch wenn ich nicht alles perfekt finde. Er ist nah, überschaubar, insbesondere eine Bezugsperson ist liebevoll und feinfühlig. Die Atmosphäre ist gewährend. Und vor allem ging das Mädchen bisher wahnsinnig gerne hin!

Was also tun? Wir stehen früh genug auf, um Zeit zu haben: Für Anziehstreiks, für ausführliche Baderituale, für ein paar Bilderbücher auf Papas Schoß, für Frühstück, bei dem das Mädchen Erdbeeren in alle Münder steckt. Und dennoch mag das Mädchen nicht. Wollen wir heute mit dem Auto fahren, anstelle des Fahrrads? Endlich ein Nicken.

Als wir den Kindergarten betreten, sind erst zwei Kinder da. Ein drittes auf dem Arm der Erzieherin. Ich weiß, dass man sagt, man solle sich schnell verabschieden. Aber das fühlt sich nicht richtig an für mich. Das Mädchen bringt mir ein Buch, wir setzen uns. Bald gesellt sich ein weiteres Kind dazu. Dicht sitzen die beiden an meinen Seiten, ich spüre die Kinderbeine an meinen Oberschenkeln. Wir schauen das Buch an, machen die Geräusche der Tiere. Links schauen mich kleine braune Augen an. Neugierig, überrascht mustern sie mich, als ich die Namen der Tiere auf französisch sage, weil das die Muttersprache des Kindes ist. Rechts strahlt mich meine Tochter an. Einer dieser Momente ist das, der unser Herz weiter macht. Zusammensein.

Dann bitte ich die Erzieherin, die Staffelei mit Papier zu versehen, weil ich weiß, wie gerne das Mädchen malt. Wenn du anfängst zu malen, werde ich gehen, sagt das Mädchen. Sofort rennt sie zu mir, und ich nehme sie in meine Arme. Ich gebe sie zu S., mit ihren bunten Armreifen und sanften schwarzen, mit Kanal umrandeten Augen. S. trägt jedes Kind, das traurig ist. Sie sagt nicht viel. Schon in diesem Moment ist das Mädchen wieder ruhig. Ich gehe hinaus, nicht ohne dem Mädchen zu versprechen, dass ich es früher abhole.

Wir versuchen es jetzt so. Mit viel Kontinuum, Sanftheit, Klarheit. Noch ist es kein Muss. Noch ist das Mädchen zu klein für ein Muss und noch kann ich es mir leisten, falls sie überhaupt gar nicht mehr hinmöchte.

Doch diese wenigen Stunden, die ich habe, die sind auch wichtig. Die Zeit in Indien steht für mich auch für ein besonderes Geschenk. Zeit, die ich für ein Stück eigener Arbeit verwenden kann, ohne über Bezahlung nachzudenken. Und jetzt bleibt mir nicht mehr endlos viel Zeit, dieses Geschenk einzulösen.

Heute mittag aber, da machen wir weiter mit dem tribe life. So viel und so lange es geht.

Und vielleicht geht das ja auch noch viel öfter und viel mehr, als ich mir das im Moment noch so denke.