Alles und nichts. Alles und Gold.

Die goldene Wand ist noch da, in meinem Zimmer, in unserem Haus in Indien. Alle Bilder, die daran hingen, nahm ich ab, als wir das Haus leerräumten, ein paar Monate nur ist dieser Abschied her.

Jetzt ist sie einfach nur noch golden, die goldene Wand, und leer genug, dass ich alle Bilder an sie werfen kann: wie es war, hier zu leben, in diesem Haus, in dem wir eine Familie wurden, und indem ich allzu viele Stunden verbrachte, was einer der Gründe ist, warum wir dieses Haus wieder verließen. Bilder aus gestern und morgen werfen sich an diese Wand und sie alle bekommen ein bisschen vom goldenen Schimmer, den Bilder erhalten, wenn man sie als solche erkennt. Allein, was sind schon Bilder gegen echtes GOLD? 

Golden sind die Bangles, die die Nachbarin mir lieh, damals, als sie mir den Sari band, bei einer jener Hochzeiten. You wear these, sagte sie und streifte mir die Armreifen über und ich mochte das Klimpern an meinem Handgelenk, dass mich an die Wärme der Nachbarin erinnerte und ein bisschen fürchtete ich mich, den Bangles könnte etwas zustoßen. Gold ist in Indien so viel wert, es ist nicht nur Schmuck, es unterstreicht die einzigartige Schönheit der indischen Frauen und es ist das, was man sich zu hohen Feiertagen schenkt und es ist Wertanlage und an kaum einem andere Ort, habe ich mir sagen lassen, wird so viel Gold gekauft wie hier. 

Golden sind die Bangles, die auch ich nun trage, denn mein Liebster hat sich erinnert, dass ich das helle Klingeln mochte und die Bangles an meinem Handgelenk drehte, und die Nachbarin sagt, diese Bangles zieht man niemals aus, nicht bei Tag und nicht bei Nacht. 

Gold und Bangles, da kommt etwas zusammen, was mich an indische Frauen überhaupt erinnert, an das Beste und Zerbrechlichste an ihnen und weil das Gold nun auch an meinem Handgelenk schimmert, werde ich sie nicht vergessen können. 

Alle die Frauen kommen mir in den Sinn, die mir begegneten hier, und an deren Körper es schimmert und glänzt und die Frauen in Rajasthan kommen mir in den Sinn, die ich traf, als ich dort unterrichtete, an einer Universität nur für Frauen, diese Frauen, die da in der Küche des Gästehauses auf dem Boden knieten und Chapatis auswellten und an deren Fußgelenken dicke Reifen aus Silber hingen, die aussahen, als könnte man sie nie wieder ausziehen. Wahrscheinlich kann man das auch nicht, irgendjemand sagte mir, das sei eine Art Lebensversicherung, die Reifen sind wertvoll und wenn die Frauen flüchten müssen, tragen sie das wertvollste, das sie besitzen, immer bei sich. 

Nur dass dies Frauen beim Pinkeln in der Nacht möglicherweise nicht sicher sind, das bricht mir das Herz, und da werden auch keine Reifen aus Silber oder Gold sie schützen. Und doch und vielleicht ist das die falsche Konjunktion und es bräuchte eigentlich gar keine: es gibt eine gewisse Art von Schönheit, die ich nur an indischen Frauen gesehen habe, etwas, was mit einer Leichtigkeit und Durchlässigkeit strahlt, als wiege das alles nichts, nicht das Leben und nicht das Gold. 

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