Wir wohnen hier in einer kleinen Nachbarschaft, die aus einer Reihe von kleinen Häuschen besteht. Ehemals waren diese Behausungen eigentlich für Wachpersonal gedacht, für Menschen, deren Jobs es erfordern, dass sie rund um die Uhr da sind und die deshalb auf dem Campus wohnen sollten. Inzwischen sind die Häuser aber auch bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie deren Familien beliebt, denn es wird zunehmend attraktiver, hier auf dem ruhigen grünen weitläufigen Institutsgelände zu wohnen und nicht in der lauten, vollgestopften Stadt mit schlechter Luft und schlechtem Wasser.
Von unseren Nachbarn haben wir bisher eher wenig gesehen. Nun, da wir eine kleine Tochter haben, die die Umgebung erforscht, wandelt sich das: Wir bemerken, wer alles Kinder hat, in welchem Alter, wer wann draußen ist. Und über Kinder und Hunde entstehen kleine Begegnungen. Es gibt einen kleinen Platz hier zwischen den Häusern, der ist leer und im Sommer knallt die Hitze darauf. In einem der angrenzenden Häusern ist eine Familie eingezogen, vor einem Dreivierteljahr schon, ohne dass ich es so richtig bemerkt hatte. Die Frau, die dort wohnt, hat nun begonnen, Töpfe mit Pflanzen und Blumen aufzustellen. Und da sie zwei kleine Söhne hat, von denen sich meine Töchter gerne die lokalen Bobbycarvarianten ausleiht, entsteht so nach und nach ein wenig Kontakt.
So auch heute. Als wir von unserem morgendlichen Spaziergang zurückkommen ist auch sie draußen mit ihrem kleinen Buben, der nur wenige Monate älter als unser Mädchen ist. Wir beugen uns über die Blumentöpfe. Ich staune, was wieder Neues hinzugekommen ist: kleine Calendulapflanzen. Wir machen daraus Salbe, erzähle ich ihr. Kapuzinerkresse hat sie auch. Hab ich probiert, hat bei mir nicht geblüht, sage ich. Die Bananenstauden haben zwei prachtvolle Blüten.
Du musst sie anfassen, sagt sie mir, wie Samt fühlt sich das an. Die Rosen erzählt sie, waren erst drin in ihrem Garten, aber da sind sie nicht gewachsen. Jetzt blühen sie. Ja, das sind Rosenstöcke in verschiedenen Farbtönen und auch Hibiskus mit grossen Blüten, von dem weder sie noch ich wissen, wie er auf Englisch heißt. Und Minze, die hat sie einfach aus der auf dem Markt Gekauften gezogen: Blätter ab und den nackten Stil in die Erde. So einfach.
Naja, ich denke daran, was ich alles in unserem Garten versucht habe – mit recht wenig Erfolg. Ja, die Gärten sind sehr dunkel sagt sie. Deiner vor allem. Hier ist es heller.
Du musst viel Erfahrung haben sage ich.
Dies sei ihr erstes Gartenjahr, sagt sie. Ihr Vater aber sei Bauer. Am Sonntag kommt er wieder und dann wirst du ihn hier werkeln sehen. Letztes Mal wollte er direkt das Rasenstück umgraben. Das sei nur 2 Tage Arbeit habe er gesagt. Der Boden hier sei recht gut, habe ihr Vater gesagt, und dann das immer warme Klima. Im Norden, wo sie herkomme, sei das Klima extrem. Heiss im Sommer, kalt im Winter.
Ich denke daran, wie karg mir die rote Erde erscheint, an Gespräche mit anderen Europäern, wieviel Kompost man in diesen Boden einbringen muss, um ihn fruchtbar zu kriegen. An meine Theorie, dass die Karotten und Kartoffeln deshalb nach nichts schmecken, weil die Erde so karg ist. Wie verschieden unsere Wahrnehmungen sind.
Das Dienstmädchen kommt aus dem Haus, fragt ob wir Tee wollen. Fragt sie auf auf Telugu oder Hindi? Ich weiss es nicht. Die Nachbarin bittet mich zum Chai ins Haus. Auf niedrigen Stühlen sitzen wir zu viert an einem ebenso niedrigen Tisch. Die beiden Kleinen bekommen jeweils einen Dosa, eine Art indischer Pfannkuchen, der mit Kokoschutney zum Frühstück gegessen wird.
Sie habe immer auf dem Land gelebt, sagt sie, nur die ersten drei Jahre hier seien sie in einer Wohnung in der Stadt gewesen. In der Stadt seien die Kinder dauernd krank. Es sei so viel besser für sie, hier im Grünen aufzuwachsen. Das trügen sie dann in sich, wenn sie später auf die Schule gingen irgendwo in einer Stadt. Zum Glück könnten sie nun hier wohnen, auf dem Gelände des Forschungsinstituts.
Wo sie aufs College gegangen sei, frage ich sie.
Erst in Rajasthan, dann in Ahmedabad. Und dann habe sie drei Jahre hier gearbeitet. Da habe sie ihren Mann getroffen.
Eine Liebeshochzeit, rufe ich erfreut und überrascht! Wie wunderbar! Schliesslich kommt das wirklich selten vor in Indien. Und ein mädchenhaftes Lächeln wandert über ihr Gesicht.
Diese kleinen Gespräche und Begegnungen! Kleine Pflänzchen der Verbundenheit. Dank der Samen, die diese Frau in ihre Blumentöpfe gesteckt hat, da draussen auf dem Platz bleiben Menschen stehen und reden miteinander, wo sie vorher mit einem Kopfnicken weitergingen. Nicht nur die Blumen wachsen hier, sondern auch ein kleines bisschen Gemeinschaft und Verbundenheit.
Seeds of Community.
Margret sagt:
Die Parallele zarte Pflanze und Beginn einer guten Nachbarschaft, bei der das Herantasten und das Pflegen einer Bekanntschaft deutlich wird finde ich sehr schön!!!rete