Ein paar Minuten. Ein paar Minuten Schreiben bevor Mann und Kind vom Spielplatz wiederkommen. Neben mir Schüsseln mit Salat und Gemüse, denn wenn sie dann kommen muss es schnell gehen, dann wird das Mädchen hungrig sein.
Ein paar Minuten in denen sich die Sätze nicht recht fügen wollen. Ein paar Minuten reichen dafür gerade oft nicht. Reichen gerade dafür, ein paar Minuten einfach zu sitzen, der Versuchung zu widerstehen, auch diese paar Minuten mit etwas sinnvollem vollzustopfen, mit Arbeit, Haushalt und so weiter. Wer von uns Eltern gerade nicht mit Kind ist, sollte doppelt effizient sein.
Die Spielplätze sind wieder offen, und trotz privilegierter Situation mit Garten ist dem Mädchen anzumerken, wie glücklich es darüber ist. Wir nehmen auch die beiden Nachbarskinder mit, die gleichaltrigen, mit denen wir jetzt eine Kleinstgruppe bilden und die Nachmittage unter uns aufgeteilt haben. Denn niemand hier glaubt so richtig an Kita vor den Sommerferien und die enden hier in Baden-Württemberg Mitte September.
Ein paar Minuten, in denen ich lausche, in den Himmel blicke, in den Garten, in dem der Bärlauch verblüht, der Löwenzahn zur Pusteblume und von den Kinder verpustet und der eben noch blühende Apfelbaum nun dicht belaubt.
Ein paar Minuten. Das Handy lasse ich neben mir, die Browserfenster zu. Ich sammle keine Stimmen in diesen Tagen. Viele Stimmen sind laut in diesen Tagen, viele wütend, sie schreien alle durcheinander. Gefühle, die mit Worten, Meinungen, Haltungen überzogen sind wie mit einer harten, erstarrten Haut. Wut und Stress, die sich seit Wochen in geschlossenen Räumen stauen und überall an Absperrbänder stoßen. Alles geht hier durcheinander. Alte Geschichten und Wunden, die mit alten und neuen Gefühlen verbunden sind, Und keiner kann mehr recht unterscheiden, was wo seinen Ursprung hat. Wut, sagt mir ein Psychoanalytiker, ist ein typisches Quarantäne-Symptom.
Ich sammle keine Stimmen mehr. Ich mache ein Herbarium der Wut. Ich pflücke die Wut von Straßen- und Zeitungsrändern, ziehe sie aus Ecken und Verstecken. Ich lasse sie trocken zwischen Löschpapier. Ich erstelle ein Fragmentarium aus Wutpartikeln, in dem sich alles andere wie in einem Spiegelsaal mit abbildet, was je wütend war und was je wütend sein wird. Und eines Tages wird es ein Museum geben, in der man die Wut aus diesen Zeiten betrachten kann, in Schautafeln ausgestellt, mit Titeln versehen und mit erklärenden Texten, sorgfältig sortiert.
JanaS sagt:
Liebe Anka,
vielen Dank für deine poetischen, weißen Worte. Es war mir wieder eine Wohltat, deinen Beitrag zu lesen.
Viele Grüße
Jana
JanaS sagt:
Autokorrektur: ich hatte „weise[n] Worte“ geschrieben….
ankafalk sagt:
Danke Dir, liebe Jana!Freut mich sehr zu lesen!