Diesen Text habe ich in meinem Archiv unveröffentlichter Blogtexte gefunden, an einem Tag, als mein Mann mir von Ameisen und schimmelnden Jacken in unserem Haus in Indien schreibt.
Es gab vieler solcher Tage wie der im folgenden beschriebene während unserer Zeit dort. Und das erinnert mich an zwei Dinge: 1. Wie unfassbar privilegiert wir leben, hier in Deutschland. Wir sind die Schokostreusel auf dem Sahnehäubchen. Und das vergessen wir allzu oft. 2. Wie viel unsichtbare Arbeit es gibt, die gerade auch von mit-ausreisenden Partnern gemacht wird. Arbeit, bei der es immer wieder nur um die absoluten Basics geht: Sauberes Wasser, Essen, um vertraute Gerichte zu kochen, Alltagsorganisation, für ein geborgenes Zuhause sorgen. Diese Arbeit machen in den meisten Fällen Frauen. Von der normalen Care-Arbeit reden wir hier noch gar nicht. Also, Ihr lieben Expat-Mamas, ich weiß, was Ihr leistet. Ich hoffe, Ihr wisst das auch.
Die Milch schmeckt nicht. Sie stinkt, wenn man sie erhitzt. Was machen die hier mit der Milch? Was essen die Kühe bloß? Ich muss eine andere Milch finden. Das war aber die einzige, von der immerhin behauptet wurde, man verzichte auf Antibiotika.
Das gefilterte Wasser ist alle. Der Filter muss repariert werden.
Ich rufe bei Housing an. Please, ich brauche den Klempner heute. Dringend. Wir haben schon letzte Woche darum gebeten. Okay, okay. Ob es um einen Wasserhahn ginge. Ich sage ja. Das stimmt zwar nicht haargenau, aber egal. Wenn ich sage, es gehe um unseren Wasserfilter, hieße es, sie reparierten keine privaten Dinge, sondern nur das, was von ihnen zum Haus gehörend bereitgestellt werde. Ich sehe mich schon drohen: Wie stellt ihr euch das vor, wo soll ich hier einen Klempner auftreiben? Das könnt ihr mit Landsleuten machen, aber nicht mit Internationals. Für uns ist das so viel schwieriger. Dies ist eine internationale Organisation! Wenn ihr mir jetzt nicht diesen Filter installiert, gehe ich direkt zum Direktor und beschwere mich. Der Direktor ist ein Australier und wir trinken jede. zweite Woche mit ihm Bier. Sie wissen, dass mein Draht zu ihm kürzer ist als ihrer.
Aber ich sage das alles nicht. Natürlich nicht. Es ist nur in meinem Kopf. Für den Fall, dass mir nichts mehr einfällt. Eine Art Notfallprogramm.
Ich schaffe es gerade noch den Sauerteig zu füttern für das Brot, das ich hier selbst backe, bevor wir losmüssen, zu „Ia Cow“, wie das Mädchen die Kita nennt. Das Mädchen will mich nicht gehen lassen. Erst ein ausgiebiges Ritual aus Chai und Chapati, Förmchen voller Sand, die ich mitnehmen muss.
Ich setze Pizza-Teig auf.
Der Kurier kommt. Bringt das neue Teil für den Filter. Wie immer haben die Kuriere kein Wechselgeld, nehmen aber auch keine internationale Kreditkarte. Wortlos drücke ich dem Kurier 500 Rupies in die Hand. Viel zu viel Geld. Egal.
Ich muss eine Buchung bestätigen, für einen Aufenthalt in Goa. Das Internet ist nicht schnell genug, um auf die Seite von Booking.com zu kommen. Es geht nicht. Ich mache einen Speed Check. Mega lahm.
Wir haben für ein Jahr im Voraus bezahlt. Für schnelles Internet. Billig war es nicht. Ich habe damals eine Quittung verlangt. Es hieß, ich würde die später kriegen. Wir haben nie was bekommen.
Ich komme endlich auf die Booking Seite. Finde dort aber keine Details zum Payment, das ich machen soll.
Ach Indien. Auch nach über 3,5 Jahren können mich diese Art von Widrigkeiten, übersteigen sie ein gewisses Maß, in den Wahnsinn treiben. Es ist Hilflosigkeit und Ohnmacht und die Wut über diese Ohnmacht. Denn ich will meine Tage nicht mit solchem Zeug verbringen. Aber ich bin immer wieder dazu gezwungen. Und das kostet Kraft.
Kavita, die uns im Garten hilft, geht. Madam, Friday I am not coming. Sie will in irgendeinen Tempel, Beten, zu Gott Shiva.
Leela kommt. Sie wird jetzt die Küche aufräumen, das Haus kehren und wischen, die Wäsche waschen, aufhängen und falten.
Wenn ich Glück habe, kann ich jetzt arbeiten.
Ich kriege die Payment Details. Das Guesthouse hat keine Kredikarte registriert. Man soll überweisen. Überweisen ist ein riesen Act hier. Und geht sowieso nur mit indischem Konto. Ich habe keins. Klappt also erst, wenn mein Mann am Freitag zurück ist. Ein Anruf. 10 weitere Whatsapp Nachrichten. Alles von diesem Guesthouse. Es reicht. Ich storniere. Suche eine Alternative bei airbnb.
Es ist 9:45 und ich seufze.
Ich gehe in die Küche um mir Kaffee zu machen. Jetzt ist die Hälfte meiner Arbeitszeit für heute schon vorbei.
Madam, today I need salary, sagt L. Oh yes, sage ich, um Himmels Willen das habe ich ganz vergessen. Der Scheck liegt schon seit Tagen bereit.
Ich fülle den Scheck aus, nur ihren Namen muss sie selbst schreiben, denn er muss exakt damit übereinstimmen, wie er in ihrem Ausweis steht. Und das ist so eine Sache mit Namen. Ihr Nachname besteht aus einem einzigen Buchstaben mit Punkt, behauptet sie. Aber das ist doch eine Abkürzung. Nein, sagt sie wieder.
Man verwendet hier meist nur den Vornamen. Am Nachnamen könnte man die Kaste erkennen und so will man der Diskriminierung vorbeugen.
Ich beschließe, ein wenig Yoga zu machen, um meine Stimmung zu heben.
Nach 15 min werde ich von Türklingeln unterbrochen. Der Elektriker. Er wird die kaputte Neonröhre im Bad auswechseln.
Ich bin gerade bei der Schlussentspannung, als es wieder klingelt. Die Big-basket Bestellung ist da.
Ich mache Mittagessen. Hole das Mädchen. Die Pizza schmeckt. Und das, obwohl es hier schwer ist, eine gute Pizza hinzukriegen, denn das Mehl hat kein Gluten. Immerhin.
Whatsapp Nachrichten ploppen auf. Das Guesthouse wieder: Thank you for your cancelation.