Tara Books ist der tollste indische Verlag, den ich kenne. Tara Books setzt auf Nachhaltigkeit, auf Tribal Art, auf Kollaboration, auf Frauen. Ich habe ihn vor einiger Zeit in Chennai besucht, wo er in einem wunderschönen Gebäude, dem „Book Building“ unterbracht ist.
Ich muss einfach noch davon erzählen, auch wenn es schon eine Weile her ist. Weil es wieder einmal zeigt, dass man es anders machen kann. Andres als die Großen und Konventionellen. Man kann etwas erschaffen, was den eigenen Werten entspricht. Was Schönes in die Welt bringt. Es gibt die Nischen! Man, und vor allem auch frau, kann anders arbeiten. So, dass es Sinn macht. So, dass es die Welt besser macht.
Ich hatte vorher angekündigt, dass ich komme, gefragt, ob ich jemandem treffen kann. Zwei junge Designerinnen empfangen mich und führen mich in eine Sitzecke des Verkaufsraums. Ich bin nicht alleine – mein kleines Mädchen ist bei mir. Eine der beiden jungen Frauen holt sofort eine Packung Filzstifte und ein großes Blatt Papier. Noch bevor wir anfangen, miteinander zu reden, haben diese Frau und meine Tochter schon einen Dialog auf dem Papier begonnen. Ich mag das, wenn meine Tochter einbezogen wird. In Indien ist das oft der Fall. Egal wo, Kinder stören hier nicht.
Es sei etwas Besonderes hier zu arbeiten, sagt eine der beiden Designerinnen. Sie sind beide extra nach Chennai gezogen, um hier zu arbeiten. Ihre Heimat ist weit weg. Wie die Bücher entstehen, frage ich. Wir werden in den ganzen Prozess einbezogen von Anfang bis Ende, erzählen sie. Es kommt ganz auf das Buch an. Bei jedem Buch ist der Prozess anders, das ist vielleicht das spannendste. Es sind organische Prozesse. Lange Dialoge, mit allen Beteiligten.
Die Gründerin des Verlags Gita Wolf, fing mit Kinderbüchern an, weil ihr die verfügbare Auswahl an Büchern nicht genügte. Dabei ist es aber nicht geblieben. Es gibt auch eine Reihe spannender Titel für Erwachsene. Es wirkt, als mache dieser Verlag nur Herzensprojekte. Da ist das Buch, in dem Tribal Artists sagen, wie sie sich ein ethnologisches Museum vorstellen. Jene also, die üblicherweise Gegenstand der Darstellung sind. Da ist ein Buch über Küchen in Südindien. Oder eins darüber, wie sowjetische Bilderbücher die Lesegewohnheiten indischer Kinder veränderten.
Gearbeitet wird mit Illustratorinnen und Illustratoren aus aller Welt. Eine ganze Reihe an Büchern werden allerdings mit Artisans realisiert, Künstlerinnen und Künstlern aus ländlichen Regionen. Es gibt in Indien noch eine unfassbare Fülle an lokalen Kunsthandwerken, ein unendlicher Reichtum, der gleichwohl von den Prozessen der Globalisierung vielerorts bedroht ist. Je nach Region findet man unterschiedliche Traditionen des Zeichnens und Malens, auf Papier oder auch auf Wänden und Häusern. Diese alltäglichen und zum Teil flüchtigen Kunstformen gehören übrigens oft zu den von Frauen verrichteten Arbeiten.Manchmal werden die Werke auf Kunsthandwerksmärkten verkauft. Oft aber sind sie keinem größeren Publikum zugänglich.
Das Team von Tara Books spürt besonders begabte Künstlerinnen und Künstler auf. Und macht Bücher mit ihnen. Bilderbücher, die so schön sind, dass auch Erwachsene ihre Freude daran haben. Die Künstlerinnen und Künstler erhalten so eine Plattform, jenseits ihres Dorfes. Eine Stimme.
Wenig später führen mich die Frauen durch das Haus: Das Book Building wurde ganz den Bedürfnissen des Verlages entsprechend gestaltet: offen, einladend, mit vielen Ebenen und eigenwilligen Ausblicken. Unten ist eine Buchhandlung, in der die Bücher des Verlags, zum Teil in verschiedenen Sprachen, verkauft werden. Außerdem sind hier die Büros. Im ersten Stock ein offener Bereich mit einer Matte auf dem Boden, eine Frau sitzt dort und stickt – für ein neues Buchprojekt. Ich setze mich ein wenig dazu und unterhalte mich mit ihr. Eine andere Frau kommt die Treppe runter, sie ist deutsch und hat heute ihren letzten Tag hier als Praktikantin. Der Abschied fällt ihr sichtlich schwer. Alles strahlt eine freundliche, kooperative und kreative Atmosphäre aus. Ich will am liebsten sofort mitmachen.
Die Designerinnen verabschieden sich. Ich streife noch ein wenig durch die Buchhandlung. Dann fahre ich in die in die zu Tara gehörende Siebdruckwerkstatt ein paar Straßen weiter. Einige der Bücher werden direkt hier gefertigt. Von Hand. Von einem Team, das hier arbeitet. Oben wird gedruckt, unten werden die Seiten zugeschnitten, geklebt, die Bücher vernäht. Das Papier, aus Baumwollresten und Altpapier, stammt aus nahegelegenen Fabriken. Aus den Fehldrucken werden übrigens Notizbücher und Karten. Sie sind viel zu schön zum Wegwerfen.
Bei Tara gibt es nicht nur ein Bewusstsein, dafür, was gute Bücher sind. Sondern auch, wie man sie herstellt. Wie man mit Ressourcen umgeht. Wie man zusammenarbeitet. Und mit wem.
Glücklich steige ich wenig später mit meinem Mädchen und einer Tasche voller Bücher wieder ins Taxi. Tara Books ist ein guter Ort.
Ps: Einige meiner liebsten Kinderbücher von TaraBooks habe ich hier bei Geborgen Wachsen vorgestellt.