Seit vier Jahren kommen wir zum Tango-Festival nach Auroville. Im ersten Jahr schwanger, im zweiten mit Baby, im dritten und vierten mit Kleinkind.
C und P kommen schon acht Jahre. Sie sind von Anfang an dabei.
Jetzt fängt es an mehr Spaß zu machen, sagen sie. Am Anfang war es verrückt. Das erste Festival fand kurz nach dem schweren Sturm statt, der in Auroville viel Schaden angerichtet hatte. Viele Bäume warne umgestürzt, der Schutz vor der Sonne fehlte dadurch, Infrastruktur war zerstört. Leute hatten eine Stunde unterrichtet und tanzten abends auf der Milonga. Kaum hatten wir mit dem Unterricht begonnen, fiel der Strom aus.
Dieses Jahr wird es sichtbar: Der Tango ist nun auf einem anderen Niveau angelangt in Indien. In einigen Städten gibt es Tango Communities, sie sind immer noch klein, aber sie sind da: In Mumbai, Delhi, Bangalore, Pune, Kalkutta, Goa. Auch in Hyderabad, in unserer Stadt. Seit wir hier sind. Es gehört zu den Abenteuern unserer Zeit hier, eine kleine Community aufzubauen.
Jeder von Euch, sagt C. Trägt zur Evolution des Tango bei. Der Tango, den P und C lehren, ist etwas besonderes. Energie und Musik, sagen sie, nichts weiter. Express yourself, sagt C und lächelt. You are ready. C kann über den Körperausdruck im Tanz Persönlichkeiten lesen wie andere Leute Bücher. „She has authority and grace“ sagte sie über meine Tochter, als diese erst wenige Monate alt war. Heute wird sichtbar, wie recht sie damit hat.
C und P sind aus Italien, ein weiteres Tangolehrer-Paar aus Griechenland ist ebenfalls schon lange beim Festival dabei. Die Griechin, sagt C, hat sofort verstanden, worum es hier geht. Dass das Festival in Auroville etwas besonderes ist. Die Griechin weint jedes Jahr bei der Closing Session des Festivals. Sie ist nicht die einzige. Dieses Festival ist das intimste, das ich kenne, sagt sie mit Tränen in den Augen. Und sie kennt Festivals rund um den Globus. Ich weine auch, denn vielleicht ist es das letzte Mal, das ich hier bin. Und ja, das hier ist mehr als Tango. Es sind Menschen, die sich verbinden, die miteinander sind.
Ich kenne eigentlich nur den Tango in Indien. In Europa habe ich kaum getanzt.
Bewahre dir deinen indischen Tango, sagt C.
In Auroville, konnten wir unsere Tango-Utopie verwirklichen, erzählt sie weiter. C und P sind aus Italien. Dort ginge es sehr viel mehr um Äußerlichkeiten, Moden im Tango. Das sei in Auroville nicht so: „Auroville war wie ein unbeschriebenes Blatt, als wir kamen. Wir konnten beginnen mit dem, was uns wirklich wichtig ist.“
Wichtig ist: Wir tanzen und lernen alle miteinander. Wir sind alle gleich während wir hier sind. Alle fahren auf den Scootern herum, schwitzen unter der tropischen Sonne. Die Unterschiede fallen weg. Es gibt keinen extra Tisch für die Maestros, die Lehrer. Die Lehrer tanzen an den Milongas auch mit den Schülern, mit allen Niveaus.
Ist es nicht langweilig, mit Anfängern zu tanzen, habe ich P mal gefragt. Seine Antwort: Bei jedem Tanz frage ich mich, was der Tango gerade von mir will. Was will der Tango mich lehren?
Es ist eine tiefe Schule, der Tango dieser beiden. Ein Weg, um sich selbst zu finden. Ein Weg um Freiheit zu finden. Bei C und P geht es nicht mehr um Führen und Folgen, um traditionelle Rollenverteilungen. 50/50 sagen sie. Die Rollen von Führen und Folgen lösen sich auf, wenn aus zwei Paar Armen eine Umarmung wird.
Find your own floor, sagen P und C im Unterricht. Finde deinen eigenen Boden in deinem Körper. Nicht den Erdboden meinen sie, sondern einen inneren Grund. Für jede und jeden ist das woanders, sagen sie, für manche im Becken, für andere mehr im Rücken… und es ändert sich, je nachdem mit wem du tanzt.
Wenn du diesen inneren Boden findest du, sagen sie, bist du frei. Du wirst Freiheit im Tanz finden.Du kannst dich ausdrücken. Du kannst deinen Tango tanzen. Darum geht es letztlich. Deinen eigenen Tango zu tanzen. Für C und P ist das Festival in Auroville Tango Utopia. Ein verwirklichter Traum.
In Auroville sind alle ein bisschen anders drauf, sagt C. Ein bisschen mehr sie selbst.
Weil es eben doch ein anderer Boden ist, auf dem wir dort stehen. Einer, der es erleichtert, den inneren Boden zu finden. Einer der einlädt, wahrhaftig zu sein, echt, das Beste zu geben. Und dabei in Kontakt zu sein. Mit mir, mit anderen. Der Musik.
Jeden Tag während des Festivals gibt es Unterricht. Jeden Abend wird getanzt, unter freiem Himmel, unter dem tropischen Sternenhimmel, der in Auroville so viel klarer ist als in den indischen Megacities. Bis in den frühen Morgen.
Der Tango ist nicht nur in Indien angekommen. Er hat mit dem Festival wunderschöne Blüten getrieben hier. Die meisten, die einmal hier waren kommen wieder, manche von weit her. Es sei das internationalste Festival überhaupt, sagt man.
Die Tango-Blüten aus Auroville – sie werden weiterblühen in aller Welt.
Ein Gedanke zu “Tango tanzen in Auroville”
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