Indien, jetzt. Ein Kurzfilm, ein Podcast, eine Ausstellung und eine Serie.

Sag mal, ist das wirklich so bei euch, fragte mich meine Nachbarin neulich. Sie hatte eine amerikanische Serie auf Netflix gesehen in der es, in ihren Worten nur darum ging, wie der und der mich findet und was der und der wohl über mich denkt und was der und der gesagt hat und was ich nun alles denke über das was er gesagt hat. Sind so bei euch Beziehungen? Ist so bei euch Liebe?, fragte sie mich. 

Ich musste lachen und sagte ihr, dass ich solche Serien nicht schaue und daher schlecht mitreden kann. Eine richtige Antwort blieb ich ihr schuldig. Denn es ist gar nicht so leicht zu erklären, wie es bei uns ist. Und es ist ja auch nicht bei allen gleich.

Umgekehrt gilt das gleiche: Auch ich frage mich wie das in Indien wohl so ist und auch da ist es nicht einfach, sich ein Bild zu machen. Indien ist eine so irre Mischung aus Tradition und Moderne. Es existiert so viel nebeneinander, dass das einen deutschen Verstand schnell mal sprengen kann. Zudem ist Indien in einer heftigen Transformation und in großem Umbruch.

Wie also ist Indien? Jetzt hier und heute? Hier gibt es ein paar interessante Antworten zu dieser Frage:

Wie Indien ist – in den großen Städten – für eine Frau – vielleicht lässt sich das niemals besser einfangen als Kalki Köchlin das hier getan hat. Sie hat inzwischen übrigens auch einen Podcast, die Kalki, die als Tochter von Franzosen in Auroville aufgewachsen und heute eine der bekanntesten Schauspielerinnen Indiens ist. Im Podcast My Indian Life (auch auf itunes zu finden) geht es darum, was es heißt, jung und indisch zu sein. Die Geschichten die hier erzählt werden scheinen mir fast alle an den Nahtstellen von Tradition und Moderne zu stattzufinden. Diese Nahtstellen verlaufen entlang der Themen Geschlecht, Identität, Gewalt, Sexualität. Hier erzählen ein Bauchtänzer, eine Eishockeyspielerin, Aktivisten, ein Transgender Mode, ein Sexualberater. Und vielleicht wird gerade in diesen außergewöhnlichen Lebensgeschichten etwas sichtbar, was Indien insgesamt ausmacht.

Nimmt man die genannten Themen und fügt noch das traurige Thema der Umweltverschmutzung und rasanten Zerstörung der Natur in Indien hinzu, so ist man ungefähr bei den Themenfeldern ankommen, die die Ausstellung Facing India in Wolfsburg behandelt, die gerade dort zu Ende ging. Ich konnte sie leider nicht sehen, halte aber immerhin den Katalog hier in Indien in Händen. Was für ein großartiges Projekt – ausschließlich weibliche zeitgenössische Künstlerinnen aus Indien, die beim Namen nennen, die Bilder finden für vieles, was mich oft sprachlos macht. Die Ausstellung „spiegelt eine Art kollektives Plädoyer für Kommunikation und die Einheit in der Vielfalt jenseits von Schubladen- und Kastendenken“ wie es auf der Webseite des Kunstmuseums Wolfsburg heißt.

Schließlich noch etwas Vergnüglicheres, leichter zu konsumieren und auf netflix zu finden: In den Lust Stories werden fünf Geschichten erzählt über Liebe, Sex, Beziehung im heutigen Indien. Es geht um Frauen und ihre Lust. Es geht um arrangierte Hochzeiten und ihr Scheitern, um Affären zwischen Menschen, die eigentlich keine haben dürften, um Tabus wie Masturbation. Unterhaltsam und doch erhellend.

Aber seht und hört doch selbst…