Mein Herz ist ein Winterherz. Es schlägt laut und glücklich in Schnee und Eis. Es liebt das Winterdunkel. Das darin keimende Licht. Schnee ist etwas, was ich mit am meisten vermisse hier in Indien.
An einem Wintertag gingen wir hier spazieren, zwischen Reisfeldern und kleinen Tempeln und sangen Winterlieder:
Durch den Schnee, der leiheisehe fällt ….
Es ist verrückt. Während ich hier bei 30 Grad herumspaziere und Wassermelone und Papaya esse, ist es trotzdem Winter in mir, wie eine Art Gegenbild, das die ganze Zeit existiert, so lebendig, dass mir die heiße Schokolade schmeckt, auch bei diesen Temperaturen. Die mitteleuropäische Erde mit ihren Jahreszeiten, mit ihrem Jahreslauf ist so tief in mir verankert, dass sich meine Zellen daran zu erinnern scheinen.
Letztes Jahr allerdings vermisste ich den Schnee so sehr, dass ich nach Hause fuhr. Die paar Tage im Schnee genügten, um auch dieses Jahr davon zu zehren. Und jetzt feiere ich den Winter mit Winterbildern, Winterklängen, Winterszenen und Winterworten.
Winterklänge
Was freut sich mein Winterherz an diesem herrlichen Konzert mit Sting in einer Kirche in England! So viel Winter ist darin, und auch ein bisschen Weihnacht. Sting singt sich durch die Jahrhunderte in diesem Konzert, er bedient sich, wo sein Winterherz höher schlägt und dieses Überschreiten der musikalischen Grenzen von Zeit und Raum macht dieses Konzert so besonders.
Winterszenen
Snegurotschka – das Schneemädchen aus dem russichen Märchen, wunderbar für den Betrachter zum Leben erweckt von Wiktor Michailowitsch Wasnezow. Es gibt auch einen Roman, der auf dem Märchen fußt, und den ich gerne las, wenn er mich auch die Handlung nicht vollumfänglich überzeugte. Aber das Geheimnis, das dieses Märchen umgibt, umkreist die Erzählerin immer und immer wieder.
Die erste Szene von Eugen Onegin, der Verfilmung des Puschkinschen Gedichts, in dem ein ganzer Roman und eben auch ein ganzer Film steckt. Und diese Geschichte ist jetzt, da alle von Narzissmus reden, besonders aktuell: Sie handelt von einem Narzissten, der es nicht wagte, sich auf die Liebe einzulassen. Diesem Helden ist die Kälte bis ins Herz eingedrungen, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. Ja, Kälte kann tödlich sein, wenn man sie zu spät erst bemerkt.
Winterworte
Im Winter der Löwen ist ein Winterkrimi von Jan Costin Wagner, der genau in diesen Weihnachtstagen beginnt, als die Weihnachtsnacht dem trauernden Kommissar Kimmo Joentaa eine Frau ins Haus weht. Voller Melancholie ist dieser Krimi. Eine Melancholie, die hinter der eigentlichen Handlung leuchtet in dunklen Winternächten. Manche Bücher liest man wegen der Atmosphäre, in der man verweilen möchte, und weniger wegen der Geschehnisse, die erzählt werden.
Und dann ist da die erste von vier Erzählungen, aus denen der Roman So tun als ob es regnet von Iris Wolff besteht. Auch diese Geschichte spielt im Schnee, handelt von Liebe und Trauer und ist, wie die anderen drei, die dieses Bändchen umfasst, so tief, schön und anrührend, dass ich das Büchlein viele Male zur Hand nahm in diesem Jahr. Es gibt nur wenige Bücher, die ich mehr als einmal lese. Dieses gehört dazu.
Durch den Schnee, der leiheisehe fällt…