Glück ist ein Apfelkuchen

Apfelkuchen macht glücklich. Vor allem badischer Apfelkuchen in Indien.

Komm, mein Mädchen, sage ich am Nachmittag, wir bringen den Nachbarn Apfelkuchen. Das Mädchen ist immer glücklich, zu den Nachbarn zu gehen. Denn da sind ihre beide Spielkameraden. Und außerdem macht die Nachbarin die besten Chapati der Welt.

-apati sagt das Mädchen und sieht mich fragend an. Nein, sage ich, jetzt gibt’s keine Chapati. Jetzt bringen wir einfach nur der Nachbarin Apfelkuchen.

Vorsichtig balanciert das Mädchen den Teller mit dem Kuchenviertel. Drei Stufen, einmal über den kleinen Platz, und schon stehen wir vor dem Haus der Nachbarn. Es ist sechs Uhr und beinahe dunkel. Auch hier in Indien sind die Tage jetzt kürzer.

Ich öffne die Fliegengittertüre. Die eigentliche Türe steht bei den Nachbarn immer offen. Wir dürfen einfach so hineinspazieren und genauso spazieren die Nachbarn auch einfach zu uns herein. Diese Nachbarn sind die wichtigsten Menschen in unserem Dorf.

Oh sagt die Nachbarin und fällt mir um den Hals. Neulich erst hatte sie mich gefragt, ob ich eigentlich Apfelkuchen machen könne. Und der Zitronentarte, den ich ihr brachte, der sei ja so lecker gewesen. Ein richtiger Backofen ist selten in Indien. Für mich ist er das vielleicht wichtigste Utensil im ganzen Haus.

Die Nachbarin nimmt dem Mädchen den Teller aus der Hand und schon ist das Mädchen im Spiel mit den beiden Jungs versunken.

Das ist genau das, was ich jetzt brauche, sagt sie, und schon bricht sie den Kuchen entzwei.

Du musst ihn in Stücke schneiden, sage ich.

Nein sagt sie, ich muss das sofort probieren.

Erst nach diesem ersten Bissen holt sie ein Messer, bietet den Kuchen kurz ihren Jungs an. Sie weiß schon, dass die den nicht mögen, und so ist es dann auch. Ein kleines Eckchen kriegt ihr Mann. Sie isst den Rest.

Weißt du, sagt sie, wir haben uns gerade gestritten. Wieder waren wir das ganze Wochenende nicht weg, habe ich meinen Mann angeschrieen.

Oh daran bin ich schuld, sage ich. Denn eigentlich wollten die Nachbarin und ich am Samstag ausgehen. Nur wir beide. Weil wir beide kürzlich Geburtstag haben. Aber dann war ich so erkältet, dass ich absagen musste. Ich habe den Tag im Bett verbracht. Und Sonntags nicht viel mehr zu Stande gebracht, als Apfelkuchen zu backen, während das Mädchen samt Nachbarskindern im Garten tobte.

Quatsch, sagt die Nachbarin. Aber du weißt wie es ist. Wo gehe ich denn schon hin, hat er zu mir gesagt. Aber er geht ja ins Büro, er sieht Kollegen, er ist immer wieder auf Dienstreise. Ich hingegen – ! Ich weiß, sage ich. Wir sind im Haus. Ich weiß, was du meinst. Was würde ich nur ohne eine Freundin wie dich machen, die mich versteht, sagt die Nachbarin. Wir holen das nach. Gleich am Freitag Abend gehen wir aus.

Und schon ist der Apfelkuchen weg. Das Wochenende vorbei. Vor allem aber: die Nachbarin ein bisschen glücklich.