
Wir sind wieder in Indien. Diese großen langen Reisen um den halben Globus, um die halbe Welt, vom einen Zuhause uns andere hinterlassen bei mir oft ein Gefühl von Verwirrung. Die Welt fühlt sich diffus an, verschwommen. Ich bin zur falschen Zeit wach und zur falschen Zeit müde. Aber die Zeit ist eigentlich das geringste. Da ist das Klima: Aus der Wärme in die Kälte. Oder umgekehrt. Damit einhergeht ein ganz anderes Körpergefühl, andere Kleidung, anderer Appetit. Und dann ist da noch alles andere: Die tausend kleinen Gewohnheiten des Alltags, die hier anders sind als dort. Weiterlesen…

Irgendein Minister liegt im Sterben, sagt mein Mann. Wir sind in Chennai in einem Hotelzimmer. Morgens früh hierhergeflogen, er wegen der Arbeit, ich weil ich endlich Tara Books besuchen und mir auch ansonsten noch ein paar Sachen hier ansehen will.

Mein Mädchen! Was dir aus dieser Zeit in der Fremde bleiben wird? Aus diesen ersten Lebensjahren in Indien? Keiner weiß es, mein Kind. Nur du wirst es eines Tages wissen, wenn überhaupt.

Ein Regentag! Es regnet, es regnet, es regnet immerzu…singen wir mit den Kindern vom Kleistpark. Schon die ganze Nacht hat es geregnet und es regnet auch den größten Teil des Tages. Ein so anhaltender Niederschlag ist auch während des Monsuns eher selten. Ich finde das richtig gemütlich, wahrscheinlich weil es mich an das mitteleuropäische Klima erinnert. Weiterlesen…

Der Juni riecht nach zu dunkel geratenem Sauerteigbrot, aber das macht nichts, denn Brot, Roggenbrot, Sauerteigbrot ist wie Gold, wenn man deutsch ist und in Indien lebt. Weiterlesen…

Der Mai riecht nach Jackfruit, die beim Sturm vom Baum in unserem Garten fällt, dieses riesige stachelige Ungetüm von Frucht, deren intensiver Duft in jeden Raum des Hauses vordringt wie ein ungebetener, schamlos neugieriger Gast. Der Mai riecht nach Mango, Unmengen von Mangos in rot, gelb, grün, die jetzt gegessen werden müssen, jetzt, schnell, denn wenn der Regen kommt, dann ist es mit den Mangos vorbei.

Unser kleines Mädchen spricht noch kaum ein Wort, obwohl sie gerne mit bedeutungsvollem Gesichtsausdruck und staatsmännischen Gesten Reden schwingt. In ihrer eigenen Sprache. Wir sprechen deutsch mit ihr. Unsere Hausangestellte Telugu. Unser Fahrer Urdu. Die Nachbarsfamilie, mit deren Buben unsere Tochter spielt Hindi. Alle anderen Englisch.