Ein Sommerabend. Einer dieser lichten Abende, der nie zu Ende geht. Einer dieser Abende, den wir oben, im Wald verbringen, hinter den Bergen verborgen in einer kleinen Ferienwohnung in einem sanften Tal.
Abends sitzen wir einfach nur da, und sehen zu, wie Tag und Nacht ganz langsam einander erlösen, mit Engelsgeduld. In Decken eingehüllt sitzen wir da und sehen zu, wie die Sonne hinter dem Berg verschwindet, wie das Licht sich zurückzieht, wie die Bäume dunkler werden. Die Luft hingegen kümmert das nicht, sie bleibt würzig und voll vom Duft nach Gräsern und Blumen, die den Tag über in der Sonne trockneten. Eben erst wurden die hohen Wiesen gemäht.
Während ich das Mädchen ins Bett bringe sehne ich mich nach meinem Platz da draußen. Seit Stunden schon freue ich mich darauf, dort zu sitzen, ein wenig Rotwein zu trinken, den Abend zu verbringen, ohne Buch und Agenda, nur die Bäume, das Licht und ich.
Wir lesen. Lotta und Pippi und Bullerbü. Ich staune, dass wir jetzt aus Büchern ohne Bilder lesen können und denke an die Sommernächte, die ich in Schweden verbracht habe, diese Tage im Juni, in denen das Licht sich nur kurz zurückzieht für einen kurzen Schlummer. Ich denke daran, wie ich mitten in der Nacht wach wurde, im Bett liegend sah, dass der Tag längst begonnen hatte ohne sich um meinen Schlaf zu kümmern, erstaunt über die Helligkeit, die das Farbrelief der Birkenrinde deutlich hervorhob, jeden Schatten wie deutlich unterstreichend.
Im Bett liegend lesen und lesen und lesen wir und ich werde ungeduldiger und ungeduldiger. Das Mädchen hat Hunger, Durst, will massiert werden, will dies und das. Während mein Abend da draußen ohne mich fortschreitet. Irgendwann begreife ich, dass das Mädchen einfach nicht müde ist. Dass es noch wie weiß wie lange dauern wird. Irgendwann springt etwas in mir um.
Komm, sage ich. Wir gehen nach draußen und schauen, wie es dunkel wird. Wir hüllen uns in Decken und legen uns auf den Liegestuhl, dicht nebeneinander. Zu allem Überfluss hole ich noch Knabberzeug. Das Mädchen quiekt vor Freude, sieht mich an, das Glück über dieses kleine gemeinsame Abenteuer steht ihr ins Gesicht geschrieben. Lange liegen wir so da, Seite an Seite. Blicken in das schwindende Licht. Zählen die ersten Sterne. Lauschen den Schatten, die im Dunkel lauter werden. Sind zusammen. Sind da. Sind noch wach, als der Papa von seinem Ausflug zurückkommt, sich zu uns setzt. Und dann, irgendwann als es längst dunkel und still ist, schläft das Mädchen ein.
Es gelingt nicht immer, dass aus einem Beinahe-Kampf ein Fest wird. Aber wenn, schreibt es sich in mich ein.
Eine Sommernachtserinnerung, die sich zu den Nächten in Schweden gesellt.
Vera sagt:
Ja, dieser berühmte Schalter. Danke. Danke für diesen Text, der so Momente präsent werden lässt und zum Aufmerken anregt.