Es regnet, wir stehen in der Küche und kochen Hühnchen mit Cashewnüssen. Wir haben Besuch aus Afrika. Die Schweinezüchterin ist da.
Die Schweinezüchterin ist eigentlich Wissenschaftlerin und kommt aus Deutschland. Aber sie lebt schon lange in Zimbabwe. Sie hat einen Zimbabwer geheiratet und die beiden haben sich vor wenigen Monaten den Traum von der eigenen Farm erfüllt. Schweine eben. Und Ziegen. Und sinnvolle Nahrungskreisläufe: Die Molke vom Ziegenkäse geht an die Schweine und die Reste der umliegenden Restaurants ebenfalls. Und das geht noch weiter: Kinderheime in der Umgebung träumen schon von zusätzlichen Einnahmequellen, wenn sie erst Schweine aus der Züchtung kriegen. Die Schweinezüchterin und ihr Mann – das sind Aktivisten, die Facebook mit Schweinecontent fluten und ihre lokale Community im von Wirtschaftskrisen gebeutelten Zimbabwe mit Ferkeln versorgen wollen.
Aflatoxin, sagt die Schweinezüchterin. Aflatoxin ist nicht nur in den Erdnüssen, sondern auch in Milch und Eiern. Sogar in Getreide. In Entwicklungsländern kontrolliert das keiner, sagt sie. Man weiß es schon lange. Es wird totgeschwiegen.
Die Hunde, sagt sie. Bei uns sterben sogar schon die Hunde reihenweise an Krebs.
Ich seufze und schaue den Mann an. Unser Hühnchen ist von Sage Organics, der einzige Ort in der Stadt, der Hühnchen verspricht das ohne Antibiotika produziert wurde. Ob das stimmt, weiß kein Mensch. Was mit den Hühnern sonst so passiert, weiß kein Mensch. Aber Nahrungsmittelskandale gibt es auch in Deutschland genug. Trotzdem ist das in Entwicklungsländern nochmal anders. Maßloser, brutaler. Unsichtbar.
Der Geist, sagt mein Mann, als wir beim Essen sitzen. Die Cashewnüsse knacken zwischen meinen Kiefern und sie schmecken lecker, so geröstet in Kokosöl. Es sind keine Erdnüsse und ich muss mir um Aflatoxin keine Sorgen machen. Oder doch?
Der Geist, sagt mein Mann. Wie geht es Eurem Hausgeist? Die Schweinezüchterin hat nicht nur Schweine, Mann und zwei Kinder, sie hat auch einen Hausgeist im frisch gekauften Farmhaus.
Oh er beruhigt sich langsam, sagt sie. Wir wussten ja von Anfang an, dass er da sein würde, der Makler hatte uns gewarnt. Wenn ich ihn heute treffe sage ich ihm, dass ich den Geist kennen gelernt habe. Wirklich sagt er dann und lacht. Wie sieht er aus?
Und dann erzählt die Schweinzüchterin die ganze lange Geschichte über den Geist. Wie sie mit einem Kollegen unterwegs war. Wie sie ganz neidisch war, weil der sich eine Farm gekauft hatte, wo das doch ihr Lebenstraum war. Wie der Kollege erzählte, ein Bekannter sei mit dem Motorrad verunglückt und habe ihm auf dem Flughafen auf die Schulter geklopft. Ganz sicher. Und dann war da keiner.
Kurze Zeit später kauften die Schweinzüchterin und ihr Mann ein eigenes Farmhaus. Und fanden heraus, dass darin vorher eine Familie gelebt hatte: Vater, Mutter, Tochter. Vater und Mutter verunglückten. Mit dem Motorrad. Der Kollege erkannte das Haus. Es war sein verunglücker Bekannter, der hier gewohnt hatte.
Sie zogen ein. Einige Arbeiter schliefen im Stall. Schliefen schlecht. Fühlten ihre Glieder wie Blei. Hörten Schritte auf dem Dach, Geräusche als schmeiße jemand Sand an die Wand. Bis heute weigern sich diese Leute, das Gebäude zu betreten.
Die Tochter der Schweinezüchterin schlief schlecht. Glieder wie Blei. Hörte Schritte und Geräusche. Als reibe jemand Plastiktüten aneinander. Plastiktüten oder Sand an die Wand – ist doch das gleiche, sagt die Schweinezüchterin.
Der Gärtner magerte ab. Warum sieht er so ausgezehrt aus, fragte man sich hinter vorgehaltener Hand. Es ist wegen des Geistes, sagte der Gärtner.
Es wurde recherchiert, wie man Geister austreibt. Salz. Weihwasser. Es gäbe da Experten. Ein Inder bot sich an, für 700 Dollar. Der Mann der Schweinzüchterin kaufte Salz und Weihwasser für 5 Dollar in der Kirche.
An einem Tag war es besonders schlimm. Der Hund drehte durch. Die Schweinezüchterin suchte auf Facebook nach der hinterbliebenen Tochter. Just dieser Tag war der Todestag der Eltern. Wie sehr sie die Eltern vermisse, schrieb die Tochter. Die Schweinezüchterin war betroffen und traurig. Die ganze Familie war traurig. Alle im Farmhaus trauerten um die verunglückten Eltern. Ein kleiner Altar wurde eingerichtet. Für die Eltern. Zum Gedenken. Damit sie keiner mehr vergisst.
Seither ist es ruhig im Haus.
Jetzt hört man nur noch die Ferkel.
Hanni sagt:
Ich stöbere so gerne auf diesem wirklich wunderbaren Blog! Ich bewundere den Schritt in ein fremdes land zu gehen und dort sein Kind groß werden zu sehen. Mach weiter so und schreibe diese wunderbaren Erzählungen, die mich jedes Mal wieder besonders fesseln und mich im Alltag innehalten lassen.
ankafalk sagt:
Ganz lieben Dank für dieses schöne Feedback! Das freut mich so sehr!