Es war einmal eine Stadt in Indien, in der es keinen Tango gab. So eine Stadt war Hyderabad.
Als wir hierherkamen hatten wir nur eine Wahl: Aufhören zu tanzen. Oder es anderen beibringen. Wir entschieden uns für letzteres. Wir widmeten unsere Sonntage dem Tango. Mein Mann unterrichtete, ich, selbst noch Anfängerin war dabei, unterstützte ihn so gut ich konnte. Anfangs ohne Baby, später mit. Manchmal war es toll. Manchmal fluchte ich, weil der Tango so viel Raum einnahm. Und Zeit.
Diesen Sonntag gab es wieder einen Anfänger-Kurs bei uns in der Stadt. Aber dieses Mal saßen wir nur am Ran,d mein Mann und ich, spielten mit dem Mädchen und sahen zu.
S&J unterrichten jetzt die Anfänger. S&J, die schon von den allerersten Anfängen an mit dabei waren. Zu deren Hochzeit nach Nordindien wir fuhren (eine Liebesheirat), obwohl es eine ziemlich widrige Reise war. Und plötzlich sehe ich uns wieder selbst: Wie wir hier ankamen, frisch verheiratet.
Der Raum ist voll, die Energie dicht und konzentriert. Project, shift your weight, collect. S&J unterrichten engagiert. Später führen sie einen Tanz vor. J. Schwingt und hebt ihr Bein wie niemals zuvor. Ein neuer Stolz ist darin, der bis in die Zehen reicht.
Wir haben fast jeden unserer Sonntage in den letzten vier Jahren dem Tango gewidmet. Und dabei viel gelernt: Über uns, über den Tanz, über Indien. Über Tango in Indien. Wir hatten Tango-Lehrer aus Italien, Estland, Deutschland, der Türkei bei uns zu Gast. Und wir fuhren mit unserer kleinen Community zum Festival nach Auroville.
Dort, in Auroville hatten wir am letzten Abend ein gemeinsames Dinner, mit unserer kleinen Community. Saßen um einen riesigen Tisch in einem Hotel im Kolonialstil. Sogar Beef auf der Speisekarte.
Als die Teller leer waren, verkündeten, dass wir gehen würden. Zurück nach Europa. Bald schon. Es herrschte Schweigen. Dann brachen einige in Tränen aus.
Ihr werdet ein Loch hinterlassen, sagte jemand, ein schwarzes Loch.
Ihr habt alles, was Ihr braucht, sagten wir. Ihr habt die größere Community in Indien, mit der ihr verbunden seid. Die weltweite Tango-Community. Wo immer ihr hinkommt, könnt ihr tanzen.
Der Abschied. Plötzlich begann ich Dinge rückwärts zu sehen, als wäre ich schon ein bisschen weg. Nicht mehr ganz darinnen. Irgendwann heulte ich auch.
Eines solltet ihr wissen, sagte ich in die Runde. Diese Erfahrung, in Indien eine Tango-Community aufzubauen wird neben der Babyzeit mit unserer Tochter vielleicht das Bemerkenswerteste sein, was wir in unserer Zeit hier erlebt haben.
Story Time rief das Mädchen am Sonntag, als es genug vom Tango hatte. Es zerrte alle Tanzenden von der Tanzfläche und hieß sie im Kreis auf den Boden sitzen. Dann packte es sein Bilderbuch aus und fing an zu erzählen. One day…es war einmal…
Es war einmal, werden wir eines Tages erzählen, eine große Stadt in Indien, in der es noch keinen Tango gab.
Karin Wiegmann sagt:
Wie ergreifend!
ankafalk sagt:
Danke 🙂