Unser Abendritual ist zu einer guten Zeit zu dritt geworden. Und oft auch zu einem Moment der Stille. Obwohl es äußerlich nicht unbedingt immer still dabei zugeht.
Wenn das Mädchen müde wird, legen wir uns alle drei in das Bett in ihrem Zimmer. Dort schläft sie seit einigen Monaten alleine, wenn wir nicht draußen im Garten auf dem Bambusbett schlafen oder aus irgendeinem Grunde doch alle drei im Schlafzimmer.
Wir legen uns also hin. Das Mädchen klettert manchmal noch eine Weile über uns drüber. Wir spielen „Igels machen sonntags früh – eine Segelbootspartie“ – eine Kniereitervariante, die wir furchtbar gerne mögen. Wir singen, wir erzählen vom Tag. Wir lesen Bücher. Bis vor kurzem stillten wir auch noch. Irgendwann wird das Mädchen ruhiger. Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es lange. Wir liegen alle drei da. Wir sind zusammen und ruhen aus und das ist in den meisten Fällen schön. Manchmal weiß niemand von uns wer als erstes einschlief. Manchmal ist es das Mädchen und wir stehen wieder auf.
Manchmal liege ich lange da und singe oder summe. Manchmal bin ich ungeduldig, manchmal singe ich fast automatisch, ohne dass ich es noch mitbekomme.
Oft aber falle ich in diesen Minuten selbst in die Stille. Dann summe ich von diesem inneren Ort der Stille aus. Ich nehme die Töne war, die Melodie, lausche selbst dem Text, den ich da singe:
Seht ihr den Mond dort stehen, er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehen.
Dann schließe auch ich die Augen. Die Melodie nimmt meine Gedanken mit, die ich eben noch dachte, nimmt all das Wollen mit und all das Müssen und Sollen, das mich den Tag über begleitet hat. Manchmal fällt, genau in diesen Moment der Stille, die Trommel eines Hindurituals, das ich von fern höre. Oder das Bellen des Hundes der Nachbarn. Das Seufzen meiner Tochter. Mein Mann, der sich von einer Seite auf die andere dreht. Es sind Momente in denen ich uns zu dritt fühlen kann, ohne, dass es etwas zu tun gibt.
Die Zeiten, um als Mutter in der Stille zu sein sind rar. Ich brauche sie aber, wie ich Wasser und Nahrung brauche. Und zumindest mit einem Kind, und so wie unser Alltag ist, lassen sie sich noch finden. Abends, wenn wir im Bett liegen. Oder auch Nachmittags, wenn wir auf dem Spielplatz sind, das Mädchen auf der Schaukel sitzt, und ich sie anschubse. Immer und immer wieder. Vor und zurück. Eine kleine Ewigkeit lang. Dann habe ich einen Moment Zeit. Zu sehen, wie ihr blondes Haar im Wind fliegt. Zu sehen, wie gelb das Gras schon wieder geworden ist, seit der Monsun zu Ende ist. Die Frauen zu sehen, die nach der Arbeit auf den Feldern nach Hause gehen, in ihren bunten Saris, mit ihren Taschen auf dem Kopf. Das rhythmische Quietschen der rostigen Eisenketten zu hören, an denen die Schaukel hängt.
Nicht immer gelingt es mir. Manchmal bin ich einfach nur ungeduldig. Oder müde. Oder eine Schar anderer Kinder kommt und der Moment zerstiebt.
Manchmal ist es nur ein Atemzug, der mich von der Stille trennt.