Die Welt in die Arme schließen. Mary Oliver

Sich mit dem Staunen vermählen. Die Welt in die Arme schließen. Mary Oliver, von der diese Zeilen stammen, ist vor einigen Tagen gestorben. Ich teile meine erste Begegnung mit ihr und mein liebstes Gedicht:

Tübingen, zum Ende des alten und zu Beginn des neuen Jahrtausends. Ein altes Haus in der Froschgasse, drei Zimmer im obersten Stock, von Studierenden bewohnt. Ich eines davon. Morgens die Glocken der Johanneskirche, Sonntags dazu der Posaunenchor.

An einem Abend, spät schon, komme ich in die Küche. Musik aus einem alten Kassettenrekorder. L. sitzt da und hört die h-moll-Messe. Und schreibt. L. ist aus Amerika und studiert Theologie. Später wird sie auf der Wurmlinger Kapelle einen Soldaten der US-Armee heiraten. Noch später wird dieser Soldat im Irak sterben und L. Priesterin werden.

Jetzt sitzt sie da und schreibt ein Gedicht ab. Um es besser zu verstehen. Es ist ein Gedicht von Mary Oliver und es ist das erste, was mir begegnet. Kurz zuvor, ein paar Monate ist es her, nicht viel mehr ist mir der Tod begegnet, so nahe, dass ich ihn für lange Zeit nicht wieder loswerde. Genauso wenig wie dieses Gedicht. Es ist mir bis heute das liebste von Mary Oliver. Es handelt vom Sterben. Und davon, die Welt in die Arme zu schließen.

Möge dein Tod so gewesen sein, liebste Mary Oliver, wie du es in diesem Gedicht auf so unvergessliche Weise formuliert hast. Unvergessen bist du in jedem Fall.

When Death Comes by Mary Oliver

When death comes
like the hungry bear in autumn;
when death comes and takes all the bright coins from his purse

to buy me, and snaps the purse shut;
when death comes
like the measle-pox

when death comes
like an iceberg between the shoulder blades,

I want to step through the door full of curiosity, wondering:
what is it going to be like, that cottage of darkness?

And therefore I look upon everything
as a brotherhood and a sisterhood,
and I look upon time as no more than an idea,
and I consider eternity as another possibility,

and I think of each life as a flower, as common
as a field daisy, and as singular,

and each name a comfortable music in the mouth,
tending, as all music does, toward silence,

and each body a lion of courage, and something
precious to the earth.

When it’s over, I want to say all my life
I was a bride married to amazement.
I was the bridegroom, taking the world into my arms.

When it’s over, I don’t want to wonder
if I have made of my life something particular, and real.

I don’t want to find myself sighing and frightened,
or full of argument.

I don’t want to end up simply having visited this world.

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